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Tigerbaby

Tigerbaby – Ein Erfahrungsbericht über das Kind, das ich nie kennenlernen durfte

Veröffentlicht

10. August 2022

Text 

Stine Albers

bilder | Erdim Özdemir

Wo fange ich an zu erzählen, wenn die Geschichte vom Ende handelt? Im Februar 2022 fand ich heraus, dass ich schwanger war. Nur knapp 2 Monate später musste ich mich Anfang April von meinem ungeborenen Kind verabschieden, da sein Herz nicht mehr schlug. Das hier ist meine Geschichte, über eine der intensivsten Phasen meines Lebens. Über das Gefühl einer Lücke, die entstanden ist. Und über die Lücken und das fehlende System, das Eltern in dieser Situation allein lässt.

Also nochmal: Wo fange ich an zu erzählen, wenn die Geschichte vom Ende handelt? Und wieso gibt es eigentlich kein Wort für diese Momente im Leben, in denen das Ende eigentlich die Geburt von etwas Neuem bedeutet. Wieso ist es eine Fehlgeburt, wenn doch so viel daraus entstanden ist – aber eben nicht das, was ich hätte gebären sollen? Ist es dann ein Fehler? Ist dieses Kind ein Fehler, oder ist diese Geburt einfach die erste Stunde eines ganz anderen, nicht vorhersehbaren Antriebs gewesen. Einer Aufgabe, die ich niemals auch nur hätte kommen sehen, aber die jetzt Kraft spendet und nach vorne prescht. Einer Aufgabe, deren Lungen nie Luft atmeten. Leider. Aber die auf eine gewisse Art und Weise jetzt trotzdem Sinn durch meine Adern fließen lassen.

Das hier ist meine Geschichte. Und der gleich folgende Satz soll nicht abwertend klingen. Er soll der Sache an sich in keiner Weise die Relevanz nehmen. Aber könntet ihr mich jetzt hören, dann würde ich diesen Satz in einem ernüchterndem Ton aussprechen. Denn es ist genau diese Ernüchterung, Erschütterung und der bodenlose Schock über den Ist-Zustand, denn:

Ich bin nichts Besonderes. Ich bin keine Ausnahme. Ich bin der verdammte Durchschnitt.

Aber auch dieser Durchschnitt tut weh. Erschütternd ist nur, wie ein so durchschnittlicher Schmerz so überdurchschnittlich wenig Beachtung findet. Hier also mein Erfahrungsbericht. Über einen normale Erfahrung, die leider so viele Eltern und insbesondere Frauen* durchleben. Jedes Jahr, jeden Tag.

*Frauen in all ihrer Diversität

Ich wollte immer Kinder haben, irgendwann. Aber noch nicht jetzt. Ich bin eine beinahe zwanghaft Freiheitssuchende und das Jahr 2022 schien endlich genau die Sorte von Weg zu sein, nach der ich immer gestrebt hatte: Endlich frei arbeiten, egal von welchem Ort. Endlich finanziell unabhängig. Gefühlt hatte ich 6 Jahre daran gearbeitet, alle notwendigen Türen aufzuschließen, und 2022 war das Jahr, in dem ich endlich durch alle hindurchgehen konnte. Und dann kam Valentinstag und zwei kleine Striche auf einem Schwangerschaftstest, der es mir für kurze Zeit unmöglich machte, meine Realität zu verstehen. Schwanger also. Na klar. Da buddel ich mich Jahr um Jahr an diesen Punkt in meinem Leben, und dann das. Ein Kind. Ein Baby. In mir. Grenzen über Grenzen. Alles anders. Das konnte nicht wahr sein.

Mit den Gedanken, Ängsten und Emotionen, die in diesen Tagen meinen Kopf füllten, könnte ich weitere Artikel füllen. Und es ist übrigens vollkommen okay, mit dieser Entscheidungsfindung überfordert zu sein. Denn es ist absolut okay, sich mit vollem Herzen für das eigene Baby zu entscheiden und trotzdem nur langsam in der Situation anzukommen, für die es keine Vorbereitungszeit gab. Über das Nicht-Einfach-Sein von Schwangerschaften und die Momente, in denen Frauen* halt einfach nicht ohne Ende „strahlen“, obwohl sie ein Baby in sich tragen (dürfen), wird in diesem Blog auch noch geschrieben werden.

Aber zurück zu meiner Geschichte, denn ich entschied mich gemeinsam mit meinem Partner ziemlich schnell für das Kind, das es ausversehen in unser Leben geschafft hatte. Denn ab diesem Zeitpunkt war das absolut Unreale real. Ab diesem Punkt begann ich, das kleine noch unsichtbare Wesen zu beschützen, in jeder Situation und bei jeder Entscheidung. Kann ich das essen? Wie mache ich das mit dem Geld? Wie arbeite ich jetzt eigentlich und auch dann, wenn das Baby da ist? Wo ziehe ich hin? Laut unserem Staat gilt ein Mensch erst ab 500 Gramm als Person – Um ehrlich zu sein tritt dieses Kind tritt allerdings in das Leben seiner Eltern, bevor es überhaupt Füße hat.

Den gesamten März verbrachte ich in Portugal, wie ich es bereits vor meiner Schwangerschaft geplant hatte. Ich hatte meinen Arzt gefragt, ob ich fliegen könne und er nahm mir alle Bedenken. Nach meiner Zeit im Ausland kam ich dann zurück nach Deutschland und ging einen Tag nach meinem Rückflug zu meinem Gynäkologen, für die erste große Untersuchung. Ich war in der 11. Woche. Drei Tage vorher hatte ich noch vor einem Hostelklo gehockt und gekotzt. Was sollte schief gehen, was sollte schon sein? 26 Jahre alt, sportlich, gesund lebend – die Voraussetzungen hätten nicht besser sein können.

Was dann geschah war die steilste Berg- und Talfahrt, die ich bisher erlebt habe. An diesem Tag warf ich den allerersten Blick auf mein Kind, das einen Kopf und einen kleinen, bohnenförmigen Körper hatte. Und es schien mir das riesengrößte Glück auf ganzen Welt zu sein, dass dieses Wesen gegen meinen Willen entschieden hatte, einfach mal in meiner Gebärmutter Platz zu nehmen. Ebenfalls an diesem Tag sagte mein Gynäkologe, dass er sehr verwundert sei, aber er könne keinen Herzschlag finden. Das Kind sei sehr groß, es könne noch nicht lange her sein. Irgendwas war schief gegangen. Zwischen diesen Momentaufnahmen lagen Sekunden. Zwischen diesen Momentaufnahmen zerbrach mein Herz, während mein Hirn mal wieder nicht hinterher kam. Mal wieder die Realität nicht verstand. Mal wieder vom Leben ein paar Entscheidungen getroffen wurde, ohne mir vorher Bescheid zu geben.

Was dann passierte, waren ein paar mentale Zusammenbrüche, mehrere Liter Tränen und Wochen voller ummantelnder Traurigkeit, die ich so noch nicht erlebt hatte. Ich wurde krankgeschrieben und meine Ausschabung verlief problemlos, worüber ich mich im Nachhinein (und nachdem ich mich mehr über das Thema informiert hatte) sehr glücklich schätzen kann. Auch hierzu später mehr.

Wie verabschiedest du dich von etwas, dessen Gesicht du noch nie gesehen hast, obwohl du wahrscheinlich dein eigenes in ihm erkennen könntest? Wie begräbst du eine Idee, die gerade mal 3,4 cm groß war und die doch dein ganzen Leben eingenommen hätte und eigentlich bereits hatte. Wie löst du dich von einem emotionalen Schmerz, der mit kleinen Nachwehen Gebärmuttergewebe aus dir rausschiebt? In mir arbeitete das natürliche Aufräumkommando meines Körpers, das rausschmiss, was nicht mehr gebraucht wurde. Nur mich, mich konnte ich nicht raussschmeißen. Kann übrigens keine Frau*. Du sitzt im 4D-Kino eines Films, der dir das Herz zerfetzt. Und es gibt keinen Notausgang, es gibt keine zensierte Version und es gibt auch kein Popcorn.

Ich hatte unfassbares Glück mit meinem liebevollem Umfeld, mit einer Mama die das Gleiche erlebt hatte und mit einem Partner, der eben genau DAS in einer Situation wie dieser war: ein Partner. Und auch wenn ich voller Dankbarkeit bin darüber, dass diese Menschen mich trugen und auffingen, war ich doch unfassbar einsam in diesem Moment. Denn am Ende war ich es, die das alles spürte. Komische Dinge, die vielleicht witzig hätten sein können. Die irgendwie auch das Wunder des menschlichen Körpers widerspiegeln. Aber wenn mir eine Woche nach meiner Ausschabung auf einmal Muttermilch aus meiner Brust kommt, zum aller aller ersten Mal in meinem Leben, dann ist das vor allem eins – ein physischer Reminder an das, was nicht ist. Überforderung ist gar kein Ausdruck für das, was da passiert ist.

„Du bist nicht allein und vor allem bist Du nicht schuld.“ 

Warum ich heute hier meinen Geschichte erzähle, ist zum einen, um dir, der Frau*, die gerade das Gleiche erleidet, zu sagen: Du bist nicht allein und vor allem bist du nicht schuld. Du erlebst eines der schmerzvollsten Normals, die es gibt. Und in erster Linie tut es mir unendlich leid, dass du da gerade durchgehen musst. Mit diesem Artikel will ich dich in erster Linie umarmen. Aus der Ferne. Ich denke an dich. Und ich weiß, wie es dir geht.

Zum anderen ist dieser Artikel einer unglaublichen Wut entsprungen. Denn ich habe mich nicht aufgeklärt gefühlt. Ich habe mich nicht informiert gefühlt. Auf diese Situation kann dich nichts auf dieser Welt vorbereiten, aber es ist immer besser, informiert zu sein. Natascha Sagorski bringt in Jede 3.te  Frau die Geschichten von 25 Betroffenen zusammen, wobei der Titel bereits die Pointe ist. Wie kann es sein, dass durchschnittlich jede dritte Frau* in ihrem Leben eine Fehlgeburt erleiden muss, und doch gibt es so wenig Aufklärung. Die meisten Menschen wissen häufig nur von diesem Thema, wenn ihnen selbst oder im engeren Umfeld eine Fehlgeburt passiert ist. Wie kann eine dermaßen einschneidendes Erlebnis allein durch Mundpropaganda thematisiert werden, und nicht von den Stellen, die vernünftig informieren sollten? Warum gibt es keinen Flyer, der mich als Betroffene direkt nach der Nachricht Kein Herzschlag informiert? Warum gibt es kein Recht auf Krankschreibung? Wieso werde ich generell nicht über meine Rechte aufgeklärt und all meine Optionen? Es ist mir so unfassbar unverständlich, wie wenig über dieses Thema gesprochen wird. Und wenn du gerade akut in der Situation steckst, ist einfach nicht von dir zu erwarten, dass du dich selbst umfassend informierst. Wenn du in der Situation steckst, dann bist du Vollzeit beschäftigt damit, einfach zu atmen und klar zu kommen.

Und aus diesem Grund möchte ich in einer Reihe aus Artikeln das zusammenführen, was ich durch eigene Recherchen und durch den Austausch mit anderen Betroffenen und engagierten Menschen erfahren und lernen durfte. Mein Baby wäre im Jahr des Tigers geboren – ein Tier, dass für mich so viel Kraft, Eleganz und Stärke ausstrahlt. Ich fand dieses Bild immer sehr schön.

Ich versuche, das alles nicht als Fehlgeburt zu verstehen, sondern als eine Geburt, die in etwas anderes mündete, als erwartet. Eine AndersGeburt, vielleicht. Denn der kleine Tiger hat trotzdem vieles in mir und meinem Umfeld entstehen lassen, hat Energie und Antrieb geboren.

An manchen Tagen bin ich unendlich traurig, dass dieses Kind nicht mehr in mir ist und ich es nie im Arm halten werde. Aber an vielen Tagen spüre ich auch, dass es nichtsdestotrotz immer bei mir ist. Am Ende bin ich dankbar für jegliche Existenz und Form, die es angenommen hatte und hat. Ich und mein Tiger schreiben diese Artikel zusammen, führen diese Interviews gemeinsamen und hoffen, einigen Frauen* und Sterneneltern in schlimmen Momenten ein bisschen Trost und Halt zu spenden.

Stine

Credits

Foto – Erdim Özdemir

Text – Stine Albers

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Körper

Mein PMS & eine kleine Anleitung zur Selbststudie?

Als ich für meinen zweiten Artikel über das Thema prämenstruelles Syndrom (PMS) recherchierte, fiel mir auf, dass ich die Literatur insgeheim nach einem Heilmittel durchsuchte… Ich wollte was finden, was mir helfen könnte mein PMS ein für alle Mal loszuwerden. Als wäre PMS haben eine Krankheit, die es zu bezwingen gilt. Aber was – fragte ich mich dann – wenn PMS einfach dazugehört für manche Frauen dieser Welt – mich eingeschlossen? Kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass es gar keine Lösung gibt für dieses ständig wiederkehrende Problem

Vielleicht würde Linderung einkehren, wenn ich wüsste, was da genau jeden Monat auf mich zukommt, damit ich entsprechend reagieren kann? Denn obwohl ich mich jetzt schon mehr als die Hälfte meines Lebens damit rumschlage, so richtig befasst mit meinem PMS habe ich mich noch nie; und ich stelle jetzt mal die gewagte These auf, dass ich damit nicht alleine bin. In alter Wissenschaftsmanier also habe ich mit einer Feldstudie begonnen; als Forschungsobjekt nahm ich natürlich mich selbst und legte los mit Fragestellung Nr.1:

_ _Was genau ist eigentlich mein Problem in der lutealen Phase nach meinem Eisprung? 

Es gibt nämlich sage und schreibe 300 verschiedene Symptome, die auf PMS zurückzuführen sind; 20 davon werden als „Kernsymptome“ bezeichnet wie beispielsweise Stimmungsschwankungen, innere Unruhe, Brustspannen oder Müdigkeit. 
Sind die Symptome bei mir nur körperliche, oder merke ich auch psychisch eine Veränderung? Wichtig für mich war auch erst einmal zu unterscheiden, wo ich – und zwar ich allein – eine Problematik sehe und nicht meine Umgebung, die Gesellschaft, mein Partner oder sonst wer.

Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich einen Tipp aus dem sehr speziellen Buch „Der rote Mond“ von Miranda Gray befolgt; nämlich drei Monate lang aufzuschreiben, was in mir vorgeht, welche Träume ich habe, welche Veränderungen ich an mir wahrnehme etc. 
Spannen meine Brüste? Bekomme ich Pickel und wenn ja, wo? Bin ich gereizt, weine ich schneller? Welche Themen beschäftigen mich? Habe ich Krämpfe, merkwürdige Gelüste? Die Liste ist endlos und der Phantasie ist keine Grenzen gesetzt. Drei Monate sind allerdings eine lange Zeit, ich habe mehrere Anläufe gebraucht und komplett lückenlos ist mein Logbuch bei weitem nicht, aber es war sehr interessant und schon fast lustig sich zu beobachten. Zu bemerken, dass da – pünktlich wie die Eieruhr – an Tag 21 ein Schalter umgelegt wird bei mir und KABOOM ich futtere wie ein Scheunendrescher und habe keinerlei Sättigungsgefühl oder KABOOM an Tag 23 weine ich schneller und spüre diese innere Spannung und Unruhe. 

Ich erkannte recht schnell ein Muster, aber was damit anfangen? Wenn ich es nicht ändern kann, was bleibt mir dann? Dieses „Akzeptieren und Loslassen“, von dem man in jedem 0815-Blog liest, funktioniert – bei mir zumindest – nicht. 

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_ _Also, was könnte mir persönlich denn helfen bei welchem Symptom?

Alle Behandlungsansätze gegen das PMS – sei es nun Akupunktur, Antidepressiva nehmen oder eine Ernährungsumstellung durchzuführen – haben eins gemeinsam: Sie helfen niemals ALLEN Frauen, die an den Studien teilgenommen haben. PMS ist multifaktoriell und wird von jeder Frau individuell wahrgenommen. Die Wissenschaft weiß bis heute nicht, was genau PMS verursacht; mit Sicherheit aber hat es mehrere Ursachen. 

Als ich nun meine kleine Symptomtabelle aufgestellt hatte, habe ich mich erstmal mit den körperlichen Reaktionen auseinandergesetzt. Gegen meine Krämpfe und Übelkeit am 1.Tag meiner Periode nehme ich täglich Eisen/Vitamin C, B12 sowie Omega3 in Form von veganen Kapseln. Gegen mein fettiges Haar zwischen Tag 16 und 20 hilft einfach öfter waschen, gegen das aufgebläht sein helfen Flohsamenschalen und weniger Milchprodukte verzehren. Fettige Haut wird mit milder Waschlotion bekämpft und Fressattacken werden einfach zugelassen und zelebriert. 

Schwieriger ist es mit der psychischen Komponente umzugehen. Denn a) muss man dafür wenigstens ein bisschen in Kontakt mit seinen Gefühlen sein und b) tut genaues Hinschauen manchmal auch ziemlich weh und ist unangenehm.

Nervt mich mein Partner wirklich nur, weil ich grad PMS habe oder passen wir einfach nicht (mehr) zusammen? Liege ich im Bett und weine mir die Augen aus, weil es grad „diese Zeit im Monat ist“ oder sitzt da die Verlustangst oder klopft das innere Kind an meine Tür der Erkenntnis? Man muss ehrlich zu sich sein und gucken, ob etwas Anderes dahintersteckt als „nur“ PMS.
Man kann für sich klären, ob man vielleicht Hilfe braucht, um diese Fragen auf den Grund zu gehen. Ich habe es getan und kann es jedem nur wärmstens empfehlen. Es ist sehr heilsam jemand professionellen in Form von Therapeut*in oder Coach*in an seiner Seite zu wissen, der/die einen unterstützt. 

Außerdem habe ich erst beim genauen Hinsehen festgestellt, wie kontrolliert ich von meinem Zyklus tatsächlich bin. Das hat mich erstmal extrem genervt! Ich fand es unfair, dass manche Frauen gar keine Rücksicht auf ihren Zyklus nehmen müssen und immer funktionieren.

Nachdem ich aber bemerkt hatte, wie gut es mir tut in dieser Zeit mehr auf meinen Körper zu achten und darauf was er will, habe ich mich damit arrangiert, dass ich erst auf meinen Zykluskalender schaue, bevor ich irgendetwas plane. In der 2. Zyklushälfte brauch ich kein Urlaub/Festival planen, Wildwasserraftingkurs belegen oder mit meiner Mutter telefonieren, weil ich dann nur Themen anspreche, bei denen wir uns mächtig fetzen und ich keine Kapazität dafür habe, jemand anderen aufzufangen. Wohingegen, wenn ich meinen Bedürfnissen nachgebe, ich mich besser fühle und das ist das Wichtigste.

Im Nachhinein betrachtet löste sich mein Haupt-Unbehagen in dem Moment auf, in dem ich nicht mehr ohnmächtig zusehen musste, wie mich die Welle namens PMS Monat für Monat für ein paar Tage überrollt. Selbstwirksam meine Situation zu verändern, gibt mir das Gefühl von Kontrolle zurück. Es ändert zwar nicht viel an meinen Symptomen, aber die Grundstimmung, mit der ich in mein PMS reinschippere, ist eine völlig andere!

Zum Schluss habe ich die oben genannten Tipps noch zu einer kleinen Anleitung zusammengestellt; vielleicht hilft es ja der ein oder anderen da draußen: 
  1. Überwache deinen Zyklus mittels App/Kalender
  2. Schreibe möglichst jeden Tag auf, wie dein Körper sich anfühlt. Wenn man „PMS Symptome Liste“ bei Google sucht, bekommt man schon den ein oder anderen Gedankenanstoß, aber selbst wenn dein Symptom nicht dabei ist…so what? Das heißt nicht, dass es nicht da ist! Schreib es gerne auf!
  3. Sortiere deine beobachteten Veränderungen in körperlich und/oder psychisch
    Mach dir zwei Listen, sortiere deine Symptome und reagiere symptombasiert. Bespreche dich mit deiner/m Gynäkologin/en; vielleicht hat sie/er ja einen Rat? Wenn er/sie dich in deiner Suche nicht ernst nimmt oder nicht unterstützt, wechsle die Praxis!
  4. Probiere einfach ein bisschen herum. Es gibt so viele unterschiedliche heilende und unterstützende Mittel: Schüsslersalze, Antidepressiva, Tees, Pflanzenheilkunde, Spurenelemente, Akupunktur, Schröpfen, Sport machen, faul sein… Schau einfach, wie es dir dabei geht. (Wenn du magst, lies meinen ersten Artikel zu dem Thema durch, da hab ich ein paar hilfreiche Hinweise ausführlicher besprochen).
  5.  Sei ehrlich und liebevoll zu dir selbst: 
    Ich weiß, das klingt abgedroschen, aber es hilft! Wenn du die Notwendigkeit siehst, suche dir „professionelle Hilfe“/jemanden, mit dem du dich auf die Reise in dein Innerstes machen willst. Es wartet so viel auf dich! Schau hin, was dir deine Gefühle zu sagen haben. Sei mutig und lebe sie aus! Weinen unterdrücken oder Wut zurückhalten kostet so viel Energie. Kurz mal einen Karton zertreten, in ein Kissen schreien oder zu weinen ist schneller vorbei als man denkt.  Geh Sport machen oder auch Wildwasserrafting meinetwegen, aber sei liebevoll zu dir, wenn du nicht performen kannst oder die Angst zu groß ist. Denn, attention please, abgedroschene Weisheit numero due: Es geht vorbei!

Viele Grüße
Eure Annabel

  • Omega-3: 1 Kapsel täglich à 50 mg Omega-3 Fettsäuren/Kapsel (250mg DHA und 125mg EPA)
  • B12: 500µg Vitamin B12
  • Eisen/VitC: 20mg Eisen aus Eisenbisglycinat und 40mg natürlichem Vitamin C
  • CERES Alchemilla Urtinktur

Quellen

  • Halbreich et al., 1982: The diversity of premenstrual changes as reflected in the Premenstrual Assessment Form
  • Hamilton et al., 1984: Premenstrual Mood Changes: A Guide to Evaluation and Treatment 
  • Halbreich et al., 2003: The etiology, biology, and evolving pathology of premenstrual syndromes
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Körper

Eine Ode an das PMS

„Hast du heute etwa deine Tage“? Wie diese Frage mich damals aufgeregt hat. Ich habe mich ertappt gefühlt und beschämt. Als wäre es eine angeborene Schwäche, die in unserer Leistungsgesellschaft keinen Platz hat. Überraschenderweise waren es nicht nur manche Männer, die verständnislos gegenüber meinen Stimmungsschwankungen reagierten. Viel öfter kam das Kopfschütteln aus den eigenen Reihen; Frauen, die mit aufgerissenen Augen entgegnen: „Das kannst du doch nicht laut sagen, dann nimmt dich doch keiner Ernst! Tolle Ausrede!“  Ähm.. hallo? Jeder Mensch, auch Männer, haben einen Zyklus (1). Und nur, weil unsere Umgebung starr und negativ auf Wandel reagiert, heißt das noch lange nicht, dass wir uns unsere zyklische Natur ausreden müssen.

 

Ich habe mich dazu entschieden eher „positiv“ über das prämenstruelle Syndrom (PMS) zu schreiben, weil ich feststellen musste, dass man dankbar sein kann für seinen Zyklus und das Bewusstsein, dass man überhaupt einen besitzt. Viele Frauen in meiner Umgebung unterdrücken ihre natürliche Periode mittels hormoneller Verhütungsmethoden, bei manchen bleibt die Mensis – aus unerfindlichen Gründen – komplett aus oder sie haben die immer wiederkehrende Leidensphasen noch nicht mit dem monatlichen Springen ihres Eis in Verbindung gebracht. Natürlich gibt es auch viele Frauen, die einen funktionierenden Zyklus haben, aber nicht an PMS leiden. Was der Unterschied ist, darüber streitet sich die Wissenschaft.


Ich für meinen Teil habe einfach keine Lust mehr mich für die biologischen Wunder – was der Eisprung und das Abstoßen der Gebärmutterschleimhaut im Endeffekt sind – zu schämen. Klar, ich fühle mich in dieser Zeit dick, schwach, fettig, ungeliebt, fehlerhaft und weinerlich. Und daran werde ich leider nicht viel ändern können. Was ich allerdings ändern kann, ist die Beurteilung der Situation und mein Umgang mit mir und meinem Körper!

Und was hilft mir in dieser Zeit?

Zuerst einmal habe ich mich davon verabschiedet, dieses „Problem PMS“ irgendwann zu 100% unter Kontrolle bringen zu können. Denn genau da beißt sich die Katze in den Schwanz. Kontrolle habe ich in dieser Zeit keine und das macht mir Angst und erhöht die innere Unruhe noch mehr! Kontrolle haben jetzt meine Hormone, mein Körper und das ist ok. Ich habe mich davon befreit, dass ich zu jeder Zeit immer gleich sein muss: gleich glücklich sein, gleich auf Situationen reagieren und gleich im Job/Privatleben performen muss. 

Das hat mich – so simpel das auch klingen mag – extrem erleichtert. Mir zu erlauben auch mal ambivalent zu sein. Es ist ok, wenn ich – trotz teuren Abos – für eine Woche weder klettern, noch bouldern oder zu Karate gehe. Es ist ok, wenn ich stattdessen zu meiner Akupunkteurin gehe oder mir eine Massage genehmige, fünf Tüten Chips in mich reinstopfe oder meine Familie und Freunde für ein paar Tage ghoste

Denn es muss mir gut gehen! Wenn ich mich nicht um mich kümmere, wer dann? 

Ich empfinde es auch (manchmal) als Wohltat meine aggressive Grundstimmung gerade dann richtig auszunutzen und meinen Chef anzupöbeln. Ich brauche deshalb keinen Aggressionsbewältigungskurs. Ich sehe das eher so, dass in der Zeit meine Aggression über mein Harmoniebedürfnis siegt und Dinge angesprochen werden, die es zu klären gibt und wozu mir in den drei anderen Wochen der Mut fehlt.

Nun habe ich „leichter“ reden. Ich habe weder eine eigene Familie noch Kinder, die bekanntlich nicht so positiv auf ambivalente Eltern/Umfeld reagieren. Ich habe die Freiheit, komplett nur mir zu zuhören. Deshalb möchte ich euch hier nun ein paar – basierend auf eigener Erfahrung, teilweise unterstützt durch wissenschaftliche Studien (siehe Anhang) – Tipps vorstellen, die einem helfen können, nicht komplett von der Welle namens PMS davorgespühlt zu werden.

Frauenmantel-alchemilla
Ausgewählte Tipps und Tricks aus der Wissenschaft und aus persönlicher Erfahrung:

Zu Beginn muss selbstverständlich durch den/die Frauenarzt/-ärztin abgeklärt werden, dass physisch alles in Ordnung ist. Auch ist wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn depressive Verstimmungen länger anhalten, der Leidensdruck zu hoch ist und aus dem PMS ein prämenstruelles dysphorisches Syndrom (PMDS) wurde.

Dann gibt es natürlich die allseits bekannten Tipps, auf die ich nicht weiter eingehen möchte:

Weniger rauchen, kein Alkohol oder Kaffee, Dysstress vermeiden und keine Schokolade, hormonelle Verhütungsmethoden und andere (apothekenpflichte) Medikamente gegen Brustspannen, Wassereinlagerungen oder Schlafprobleme. Auch können Antidepressiva in vielen Fällen Hilfe verschaffen (2). 

Aus der Natur

  1. Vitex agnus castus (Mönchpfeffer) ist ein effektives und gut verträgliches Mittel und sorgt nachweislich für Linderung der mentalen und körperlichen Leiden (3,4). 
  2. Zyklustees aus Himbeerblättern, Brennessel, Birne, Rosmarin oder Frauenmantel sollen einigen Frauen helfen, wissenschaftlich bewiesen ist es allerdings nicht direkt (5).  
  3. Das neue Hype-Allheilmittel Cannabidiol (CBD) wird auf einigen Blogs als hilfreich angepriesen mit dem Querverweis, dass es bei Depression und Epilepsie in der psychiatrischen Forschung angewendet wird und funktioniert (6). Stimmt! Allerdings in so hohen Dosen, dass Frau in einem Zyklus circa 1600 € ausgeben müsste. 
  4. Mein ABSOLUTER Geheimtipp! Wirklich das einzige, was mir bisher merklich half, sind die Alchemilla (Frauenmantel) Tropfen von der Firma CERES. Schweineteuer, aber hilfreich. Nach einem Monat hat sich mein Schweizer-Uhrwerk-gleicher Zyklus um 9 Tage verschoben und ich bin ruhiger, weniger panisch, entspannter mit der Situation und habe weniger Ängste. Ich kann jedem nur ans Herz legen, die mal für ein paar Monate zu testen (15-20 Tropfen/Tag in ein Glas Wasser). Da es sich hier um Homöopathie handelt, kann ich keine Studie verlinken. Mir hilft es und empfohlen hat es mir meine Gynäkologin. 

Wie auch bei CBD ist es unwichtig, was der Masse hilft und ob sich die Effekte empirisch testen lassen. Wichtig ist, was einem selbst hilft. 

Körper und Seele

  1. Ein weiteres Hype-Allheilmittel: die Meditation. Ich meditiere seit mehr als einem Jahr fast täglich, mal mit der App Calm, mal Zen-mäßig in Stille. Ich merke keinen direkten Effekt auf mein PMS, allerdings fühl ich mich rundum wohler in meiner Haut, bin geduldiger und kann beschissene Situationen besser annehmen. Alles Skills, die in der PMS Woche von Vorteil sind. 
  2. Durch intensive Forschung belegt ist der Einfluss von Spurenelementen wie Magnesium, Calcium oder Eisen auf das Wohlbefinden vor der Periode (7). Krämpfe verschwanden bei mir fast völlig, nachdem ich begann täglich Eisen (20mg/Tag), Vitamin B12 (1mg/Tag) und Omega-3 (Leinöl: 2 EL/täglich) zu mir zu nehmen. 

Was die oben genannten Tipps leider alle gemein haben, ist, dass eine Wirkung nicht über Nacht eintritt. Mindestens zwei Zyklen sollte man testen, ob eine Besserung eintritt. Man muss sich leider Zeit lassen, einiges austesten und sich mit sich selbst beschäftigen wollen. Das ist anstrengend, aber man lernt so viel über den Menschen, mit dem man schließlich so lange Zeit verbringt – mit sich selbst. 

Eure Annabel

(1) „Testosterone, aging, and the mind“, Harvard Men’s Health Watch (2008)
(2) Was hilft beim prämenstruellen Syndrom, Apothekenumschau (2020)
(3) „Treatment for the premenstrual syndrome with agnus castus fruit extract: prospective, randomized, placebo controlled study“, Schellenberg (2001)
(4) „A molecular docking study of phytochemical estrogen mimics from dietary herbal supplements“, Powers et al. (2015)
(5) Lexikon der Frauenkräuter, Madejsk (2008)
(6) „Translational Investigation of the Therapeutic Potential of Cannabidiol (CBD): Toward a New Age“, Crippa et al. (2018)
(7) „A systematic review of the role of vitamin D and calcium in premenstrual synstrome“, Abdi et al. (2019)