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Jede dritte Frau – Wie sich Natascha Sagorski für den gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten einsetzt

Jede dritte Frau – Wie sich Natascha Sagorksi für den gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten einsetzt

Veröffentlicht

24. August 2022

Text 

Stine Albers

oben im bild | Stine albers

Jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt. Die meisten verlieren ihr Kind noch vor der 12. Schwangerschaftswoche (SSW). Doch selbst bis zur 23. SSW haben Frauen in Deutschland kein Recht auf Trauerurlaub oder Mutterschutz – das bedeutet, kein Recht auf Krankschreibung, kein Recht auf Pause, keine Recht auf Trauer und insbesondere keine Rechte als Mutter. Mit ihrem Buch „Jede dritte Frau“ und ihrer Petition für einen gestaffelten Mutterschutz will Natascha Sagorski aufklären und vor allem eines: Dinge verändern!

Als Natascha 2019 die Worte „Ich finde leider keinen Herzschlag“ hört, stockt ihr der Atem. Aus dem nichts zerfällt ihre Welt in tausend Teile, ohne jegliche Vorwarnung und ohne Halt. Dieser Moment haut sie um. Obwohl Natascha mit Reden ihr Geld verdient, verschlägt es ihr in der Zeit nach der Fehlgeburt die Sprache.

fotos | nina andre

Jede Dritte Frau – ein Buch über Fehlgeburten

Mittlerweile hat sie ihre Worte wiedergefunden. Und nicht nur das: Sie sammelt Stimmen. Natascha möchte verbinden und connecten. In ihrem Buch „Jede dritte Frau“ bringt sie die Geschichten von 25 Menschen zusammen, die alle eine oder mehrere Fehlgeburten durchleben mussten. Es ist unglaublich bewegend, wie eine Diagnose 25 vollkommen unterschiedliche Erfahrungsberichte lostritt, die sich am Ende doch alle in Gefühlen von Einsamkeit und Trauer wiederfinden. Auf der einen Seite steht eine höchst intime und individuelle Situation, auf der anderen ein kollektives Empfinden von Überforderung, Schmerz und Alleinsein.

Es sind genau diese wiederkehrenden Gefühle, die Natascha unfassbar wütend machen und über das Buch hinaus antreiben, etwas verändern zu wollen. Jede Fehlgeburt bleibt ein einschneidendes, niederschmetterndes Erlebnis. Doch es gibt Stellschrauben, mit denen die Rahmenbedingungen für betroffene Eltern und insbesondere Mütter sich erheblich verändern könnten.

Denn eines steht fest: Zwei Menschen, die sich von ihrem ungeborenen Kind verabschieden müssen, sind Eltern. Eine Frau, die eine Fehlgeburt hat, ist eine Mutter – und bleibt es auch, egal wie lange das Herz ihres Babys geschlagen hat.

Fehlgeburten: Eine harte Grenzziehung funktioniert hier nicht

Neben der unbeschreiblichen Traurigkeit hat sich bei Natascha noch ein anderes Gefühl breit gemacht, das für viel Antrieb sorgt: Es ist Wut. „Ich bin jeden Tag schockiert“, sagt sie. Denn wegen ihres Buches und nach zahlreichen Interviews in Magazinen wie dem Spiegel und dem Stern, sowie mehreren Auftritten im Frühstücksfernsehen, erreichen Natascha tagtäglich Nachrichten von Frauen, denen das gleiche passiert ist. Vor allem melden sich Frauen bei ihr, mit denen in dieser Situation scheiße umgegangen wurde.

Wieso muss eine Frau, die ihr Kind verliert, um eine Krankschreibung betteln? Wieso weiß ich als Frau nicht über meine Optionen Bescheid? Wieso werde ich als Frau in der Regel nicht ausreichend darüber informiert, dass es die Möglichkeit einer stillen Geburt gibt, dass ich als Betroffene einen Anspruch auf eine Hebamme habe, sogar während und nach der Fehlgeburt, oder dass es Möglichkeiten gibt, das winzig kleine Baby zu bestatten? Vor allem jedoch muss ich als Frau dringend darüber aufgeklärt werden, dass es durchaus Anlaufstellen für schnellen und akuten psychologischen Beistand gibt, beispielsweise bei ProFamilia.

Häufig kehren betroffene Frauen gezwungenermaßen zu früh zurück in den Arbeitsalltag. So bleibt oft nicht ausreichend Zeit, das Geschehene zu verarbeiten. Es ist demnach kein Wunder, dass viele von ihnen in der Folge an Depressionen erkranken und dadurch oft sogar länger ausfallen, als wäre ihnen von Anfang an der Raum und das Netz geboten worden, um richtig aufgefangen zu werden.

Eine Frau erzählt Natascha davon, dass sie ein totkrankes Kind im Bauch trägt. Dieses Kind wird nicht überleben. Dennoch hofft die Betroffene inständig, dass ihr Baby bis zur 24. SSW durchhält, damit sie ein Recht auf Mutterschutz hat. Das absurde dabei: In der 23. SSW ist eine Frau fast ein halbes Jahr schwanger, aber am Ende entscheiden 24 Stunden darüber (zwischen 23. SSW und 24. SSW), ob sie vor dem Gesetz eine Mutter ist oder nicht. Ob sie im Ernstfall Anspruch auf 18 Wochen Mutterschutz hat. Die Frage nach der Logik kann hier nur mit einem Kopfschütteln beantwortet werden. Es ergibt schlicht keinen Sinn, beim Thema Fehl- und Totgeburten eine dermaßen harte Grenzziehung vorzunehmen. So werden allen Schwangeren bis zur 24. SSW jegliche Chancen auf Schutz verwehrt. Eine derartige Schwarz-Weiß-Mentalität ist in diesem Fall absolut unangebracht.

Gestaffelter Mutterschutz bei Fehlgeburten

Aus diesem Grund setzt sich Natascha für einen gestaffelten Mutterschutz ein und hat Anfang 2022 eine Petition gestartet. Denn warum sollte es keinen gestaffelten Schutz geben, auch für Frauen die vor der 24. SSW ihr Kind verlieren?

„Fehlgeburten sind negativ besetzt: Und Politik scheut sich vor negativ behafteten Themen – wieso, das frage ich mich auch!“ – Natascha Sagorski

Es ist kein Wunder, dass Frauen in Deutschland schlecht Bescheid wissen, wenn die Strukturen von oben für umfassende Aufklärung schlicht nicht gegeben sind. Wenn ein:e Gynäkolog:in erst nach dem Diagnoseschlüssel suchen muss, obwohl Fehlgeburten statistisch gesehen absolute Normalität sind, dann spricht das Bände über ein Problem im System.

Mit ihrer Petition möchte Natascha bewirken, dass eine Expert:innenkomission den Ist-Zustand kritisch begutachtet und gleichzeitig neue Ansätze für eine Staffelung und die Höhe des Mutterschutzes entwickelt. Sie fordert außerdem, dass dieser Mutterschutz ein Angebot des Staates ist, und für die Frau nicht verpflichtend. Dass eine Krankschreibung allein im Ermessen des:r behandelnden Mediziner:in liegt, da ein Kind unter 500 g Körpergewicht laut Gesetz nicht als Mensch gilt, und eine Frau daher nicht als schützenswerte Mutter, ist ein unzumutbarer Zustand.

Fehlgeburten sollten zum Allgemeinwissen gehören

Natascha ist enttäuscht von der Gleichgültigkeit der Politik. Während die mediale Aufmerksamkeit für das Thema funktioniert und gut aufgenommen wird, passiert politisch wenig. Auf viele Anfragen und Einladungen zum Austausch gab es nicht mal eine Absage. Das Bayrische Gesundheitsministerium wollte kein Statement abgeben. Von einem grünen Familienministerium erwarte sie mehr, sagt Natascha.

Doch von kleineren und auch von den größeren Hürden lässt sich Natascha Sagorski nicht abschrecken. Ihr Wille und ihre Motivation treiben sie an. In einer idealen Zukunft sollen alle Frauen, beziehungsweise Eltern, über die Häufigkeit von Fehlgeburten, den medizinischen Umgang mit diesen und anschließende potenzielle Anlaufstellen für Hilfeleistungen aufgeklärt werden. Das Thema soll zum Allgemeinwissen gehören, insbesondere damit Frauen Versagens- und Schuldgefühle ablegen und sich nicht mehr wie Einzelfälle fühlen müssen.

Bevor sie ihr Buch schrieb und auch als sie sich für eine Petition entschied, hatte Natascha Respekt vor Triggern und dem schmerzhaften Aufreißen alter Wunden. Neben viel Frust, langen Abenden und dem nicht immer leichten Jonglieren von Presseterminen, Interviews und dem Alltag mit zwei kleinen Kindern, bleibt am Ende vor allem eins: Mut. Jede einzelne Nachricht von jeder Frau gibt Natascha Kraft. Durch ihre Arbeit erlebt sie immer wieder einen wundervollen Austausch mit ganz verschiedenen Menschen, die sie bestärken und motivieren, weiterzumachen.

Denn das Thema ist relevant, und wird es bleiben. Es geht dabei um Frauenrechte, es geht um die Würde, die Anerkennung und den Respekt vor dem Frau sein und dem weiblichen Körper. „Wenn ich mich nicht laut mache, dann macht es keiner“, sagt Natascha. Und sie ist laut, und wird immer lauter.

 

Petition – Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes. Frist: 20.09.2022

Natascha Sagorski sammelt Stimmen und Geschichten.

Erst für ihr Buch. Jetzt für die Petition. Wir vom AMAZONEN Magazin sind unfassbar stolz, sie hierbei unterstützen zu dürfen und wollen bei diesem wichtigen Thema am liebsten so laut es nur geht mitbrüllen. Den Link für die Petition findet ihr im Text und sonst auch nochmal hier. Wir freuen uns, wenn ihr Frauen dabei helfen möchtet, mehr Rechte auf Schutz nach Fehlgeburten zu bekommen.

Credits

Fotos –  Lena Augustin

Text – Stine Albers

Amazone

Instagram – natascha_sagorski

Buch – Jede 3. Frau

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Innen

Tigerbaby

Tigerbaby – Ein Erfahrungsbericht über das Kind, das ich nie kennenlernen durfte

Veröffentlicht

10. August 2022

Text 

Stine Albers

bilder | Erdim Özdemir

Wo fange ich an zu erzählen, wenn die Geschichte vom Ende handelt? Im Februar 2022 fand ich heraus, dass ich schwanger war. Nur knapp 2 Monate später musste ich mich Anfang April von meinem ungeborenen Kind verabschieden, da sein Herz nicht mehr schlug. Das hier ist meine Geschichte, über eine der intensivsten Phasen meines Lebens. Über das Gefühl einer Lücke, die entstanden ist. Und über die Lücken und das fehlende System, das Eltern in dieser Situation allein lässt.

Also nochmal: Wo fange ich an zu erzählen, wenn die Geschichte vom Ende handelt? Und wieso gibt es eigentlich kein Wort für diese Momente im Leben, in denen das Ende eigentlich die Geburt von etwas Neuem bedeutet. Wieso ist es eine Fehlgeburt, wenn doch so viel daraus entstanden ist – aber eben nicht das, was ich hätte gebären sollen? Ist es dann ein Fehler? Ist dieses Kind ein Fehler, oder ist diese Geburt einfach die erste Stunde eines ganz anderen, nicht vorhersehbaren Antriebs gewesen. Einer Aufgabe, die ich niemals auch nur hätte kommen sehen, aber die jetzt Kraft spendet und nach vorne prescht. Einer Aufgabe, deren Lungen nie Luft atmeten. Leider. Aber die auf eine gewisse Art und Weise jetzt trotzdem Sinn durch meine Adern fließen lassen.

Das hier ist meine Geschichte. Und der gleich folgende Satz soll nicht abwertend klingen. Er soll der Sache an sich in keiner Weise die Relevanz nehmen. Aber könntet ihr mich jetzt hören, dann würde ich diesen Satz in einem ernüchterndem Ton aussprechen. Denn es ist genau diese Ernüchterung, Erschütterung und der bodenlose Schock über den Ist-Zustand, denn:

Ich bin nichts Besonderes. Ich bin keine Ausnahme. Ich bin der verdammte Durchschnitt.

Aber auch dieser Durchschnitt tut weh. Erschütternd ist nur, wie ein so durchschnittlicher Schmerz so überdurchschnittlich wenig Beachtung findet. Hier also mein Erfahrungsbericht. Über einen normale Erfahrung, die leider so viele Eltern und insbesondere Frauen* durchleben. Jedes Jahr, jeden Tag.

*Frauen in all ihrer Diversität

Ich wollte immer Kinder haben, irgendwann. Aber noch nicht jetzt. Ich bin eine beinahe zwanghaft Freiheitssuchende und das Jahr 2022 schien endlich genau die Sorte von Weg zu sein, nach der ich immer gestrebt hatte: Endlich frei arbeiten, egal von welchem Ort. Endlich finanziell unabhängig. Gefühlt hatte ich 6 Jahre daran gearbeitet, alle notwendigen Türen aufzuschließen, und 2022 war das Jahr, in dem ich endlich durch alle hindurchgehen konnte. Und dann kam Valentinstag und zwei kleine Striche auf einem Schwangerschaftstest, der es mir für kurze Zeit unmöglich machte, meine Realität zu verstehen. Schwanger also. Na klar. Da buddel ich mich Jahr um Jahr an diesen Punkt in meinem Leben, und dann das. Ein Kind. Ein Baby. In mir. Grenzen über Grenzen. Alles anders. Das konnte nicht wahr sein.

Mit den Gedanken, Ängsten und Emotionen, die in diesen Tagen meinen Kopf füllten, könnte ich weitere Artikel füllen. Und es ist übrigens vollkommen okay, mit dieser Entscheidungsfindung überfordert zu sein. Denn es ist absolut okay, sich mit vollem Herzen für das eigene Baby zu entscheiden und trotzdem nur langsam in der Situation anzukommen, für die es keine Vorbereitungszeit gab. Über das Nicht-Einfach-Sein von Schwangerschaften und die Momente, in denen Frauen* halt einfach nicht ohne Ende „strahlen“, obwohl sie ein Baby in sich tragen (dürfen), wird in diesem Blog auch noch geschrieben werden.

Aber zurück zu meiner Geschichte, denn ich entschied mich gemeinsam mit meinem Partner ziemlich schnell für das Kind, das es ausversehen in unser Leben geschafft hatte. Denn ab diesem Zeitpunkt war das absolut Unreale real. Ab diesem Punkt begann ich, das kleine noch unsichtbare Wesen zu beschützen, in jeder Situation und bei jeder Entscheidung. Kann ich das essen? Wie mache ich das mit dem Geld? Wie arbeite ich jetzt eigentlich und auch dann, wenn das Baby da ist? Wo ziehe ich hin? Laut unserem Staat gilt ein Mensch erst ab 500 Gramm als Person – Um ehrlich zu sein tritt dieses Kind tritt allerdings in das Leben seiner Eltern, bevor es überhaupt Füße hat.

Den gesamten März verbrachte ich in Portugal, wie ich es bereits vor meiner Schwangerschaft geplant hatte. Ich hatte meinen Arzt gefragt, ob ich fliegen könne und er nahm mir alle Bedenken. Nach meiner Zeit im Ausland kam ich dann zurück nach Deutschland und ging einen Tag nach meinem Rückflug zu meinem Gynäkologen, für die erste große Untersuchung. Ich war in der 11. Woche. Drei Tage vorher hatte ich noch vor einem Hostelklo gehockt und gekotzt. Was sollte schief gehen, was sollte schon sein? 26 Jahre alt, sportlich, gesund lebend – die Voraussetzungen hätten nicht besser sein können.

Was dann geschah war die steilste Berg- und Talfahrt, die ich bisher erlebt habe. An diesem Tag warf ich den allerersten Blick auf mein Kind, das einen Kopf und einen kleinen, bohnenförmigen Körper hatte. Und es schien mir das riesengrößte Glück auf ganzen Welt zu sein, dass dieses Wesen gegen meinen Willen entschieden hatte, einfach mal in meiner Gebärmutter Platz zu nehmen. Ebenfalls an diesem Tag sagte mein Gynäkologe, dass er sehr verwundert sei, aber er könne keinen Herzschlag finden. Das Kind sei sehr groß, es könne noch nicht lange her sein. Irgendwas war schief gegangen. Zwischen diesen Momentaufnahmen lagen Sekunden. Zwischen diesen Momentaufnahmen zerbrach mein Herz, während mein Hirn mal wieder nicht hinterher kam. Mal wieder die Realität nicht verstand. Mal wieder vom Leben ein paar Entscheidungen getroffen wurde, ohne mir vorher Bescheid zu geben.

Was dann passierte, waren ein paar mentale Zusammenbrüche, mehrere Liter Tränen und Wochen voller ummantelnder Traurigkeit, die ich so noch nicht erlebt hatte. Ich wurde krankgeschrieben und meine Ausschabung verlief problemlos, worüber ich mich im Nachhinein (und nachdem ich mich mehr über das Thema informiert hatte) sehr glücklich schätzen kann. Auch hierzu später mehr.

Wie verabschiedest du dich von etwas, dessen Gesicht du noch nie gesehen hast, obwohl du wahrscheinlich dein eigenes in ihm erkennen könntest? Wie begräbst du eine Idee, die gerade mal 3,4 cm groß war und die doch dein ganzen Leben eingenommen hätte und eigentlich bereits hatte. Wie löst du dich von einem emotionalen Schmerz, der mit kleinen Nachwehen Gebärmuttergewebe aus dir rausschiebt? In mir arbeitete das natürliche Aufräumkommando meines Körpers, das rausschmiss, was nicht mehr gebraucht wurde. Nur mich, mich konnte ich nicht raussschmeißen. Kann übrigens keine Frau*. Du sitzt im 4D-Kino eines Films, der dir das Herz zerfetzt. Und es gibt keinen Notausgang, es gibt keine zensierte Version und es gibt auch kein Popcorn.

Ich hatte unfassbares Glück mit meinem liebevollem Umfeld, mit einer Mama die das Gleiche erlebt hatte und mit einem Partner, der eben genau DAS in einer Situation wie dieser war: ein Partner. Und auch wenn ich voller Dankbarkeit bin darüber, dass diese Menschen mich trugen und auffingen, war ich doch unfassbar einsam in diesem Moment. Denn am Ende war ich es, die das alles spürte. Komische Dinge, die vielleicht witzig hätten sein können. Die irgendwie auch das Wunder des menschlichen Körpers widerspiegeln. Aber wenn mir eine Woche nach meiner Ausschabung auf einmal Muttermilch aus meiner Brust kommt, zum aller aller ersten Mal in meinem Leben, dann ist das vor allem eins – ein physischer Reminder an das, was nicht ist. Überforderung ist gar kein Ausdruck für das, was da passiert ist.

„Du bist nicht allein und vor allem bist Du nicht schuld.“ 

Warum ich heute hier meinen Geschichte erzähle, ist zum einen, um dir, der Frau*, die gerade das Gleiche erleidet, zu sagen: Du bist nicht allein und vor allem bist du nicht schuld. Du erlebst eines der schmerzvollsten Normals, die es gibt. Und in erster Linie tut es mir unendlich leid, dass du da gerade durchgehen musst. Mit diesem Artikel will ich dich in erster Linie umarmen. Aus der Ferne. Ich denke an dich. Und ich weiß, wie es dir geht.

Zum anderen ist dieser Artikel einer unglaublichen Wut entsprungen. Denn ich habe mich nicht aufgeklärt gefühlt. Ich habe mich nicht informiert gefühlt. Auf diese Situation kann dich nichts auf dieser Welt vorbereiten, aber es ist immer besser, informiert zu sein. Natascha Sagorski bringt in Jede 3.te  Frau die Geschichten von 25 Betroffenen zusammen, wobei der Titel bereits die Pointe ist. Wie kann es sein, dass durchschnittlich jede dritte Frau* in ihrem Leben eine Fehlgeburt erleiden muss, und doch gibt es so wenig Aufklärung. Die meisten Menschen wissen häufig nur von diesem Thema, wenn ihnen selbst oder im engeren Umfeld eine Fehlgeburt passiert ist. Wie kann eine dermaßen einschneidendes Erlebnis allein durch Mundpropaganda thematisiert werden, und nicht von den Stellen, die vernünftig informieren sollten? Warum gibt es keinen Flyer, der mich als Betroffene direkt nach der Nachricht Kein Herzschlag informiert? Warum gibt es kein Recht auf Krankschreibung? Wieso werde ich generell nicht über meine Rechte aufgeklärt und all meine Optionen? Es ist mir so unfassbar unverständlich, wie wenig über dieses Thema gesprochen wird. Und wenn du gerade akut in der Situation steckst, ist einfach nicht von dir zu erwarten, dass du dich selbst umfassend informierst. Wenn du in der Situation steckst, dann bist du Vollzeit beschäftigt damit, einfach zu atmen und klar zu kommen.

Und aus diesem Grund möchte ich in einer Reihe aus Artikeln das zusammenführen, was ich durch eigene Recherchen und durch den Austausch mit anderen Betroffenen und engagierten Menschen erfahren und lernen durfte. Mein Baby wäre im Jahr des Tigers geboren – ein Tier, dass für mich so viel Kraft, Eleganz und Stärke ausstrahlt. Ich fand dieses Bild immer sehr schön.

Ich versuche, das alles nicht als Fehlgeburt zu verstehen, sondern als eine Geburt, die in etwas anderes mündete, als erwartet. Eine AndersGeburt, vielleicht. Denn der kleine Tiger hat trotzdem vieles in mir und meinem Umfeld entstehen lassen, hat Energie und Antrieb geboren.

An manchen Tagen bin ich unendlich traurig, dass dieses Kind nicht mehr in mir ist und ich es nie im Arm halten werde. Aber an vielen Tagen spüre ich auch, dass es nichtsdestotrotz immer bei mir ist. Am Ende bin ich dankbar für jegliche Existenz und Form, die es angenommen hatte und hat. Ich und mein Tiger schreiben diese Artikel zusammen, führen diese Interviews gemeinsamen und hoffen, einigen Frauen* und Sterneneltern in schlimmen Momenten ein bisschen Trost und Halt zu spenden.

Stine

Credits

Foto – Erdim Özdemir

Text – Stine Albers

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Körper

Weibliche Lust – Die Lust à la Frau

Schwerer Atem.
Zarte Liebkosungen.
Ein stöhnendes Verlangen.
Heißer Schweiß umhüllt vibrierende Haut.
Köstliches Zittern rauscht durch deinen gesamten Körper.
Kreisende Bewegungen mit einem Auf und Ab, Links und Rechts, Rein und Raus.
Den Rücken gewölbt.

Die Augen funkelnd.
Süße Befriedigung ungezähmter Ekstase.

…wird es hier gerade heiss?

Hmmm…vielleicht liegt es daran, dass wir heute in die Lust eintauchen?
In die WEIBLICHE LUST um ganz genau zu sein.

Die Skepsis gegenüber dem weiblichen Orgasmus ist ziemlich modern und scheint eine Viktorianische Kreation zu sein. Weiter zurückgehend in der Geschichte sehen wir offene, künstlerische Darstellungen von Frauen, die Sex genießen und sogar einen Orgasmus haben – und das geht zurück bis zu den alten Griechen.
Nur um es zu wiederholen: tatsächlich sind Frauen zu sehen, die einen Orgasmus haben.

Das lädt förmlich zu einem Vergangenheitstauchgang ein… Lasst uns mal einen Sprung dorthin machen. 

Geheime Schriften überliefern, dass in den späten 1800er Jahren die Befriedigung von Frauen eine höhere Priorität hatte als ein sauberer Fußboden. Wenn Frauen zu lange unbefriedigt in ihrem sexuellen Verlangen schmoren mussten, wer weiß, was da hätte passieren können? Möglicherweise besaßen Frauen keine Spur von Selbstbeherrschung?

Gemäß der viktorianisch-medizinischen Gemeinschaft, dem damaligen Stand der Wissenschaft, der psychiatrischen Gemeinschaft und mehrerer Verhaltensforscher musste eine sexuell frustrierte Frau sofort versorgt werden.
Das Ironische dabei ist, dass sich diese Räte alle aus Männern zusammensetzten. Sinn und Zweck war, dass der Schoßraum nicht ‘herumgeisterte’ und der Verstand auf keinen Fall von der gefürchteten weiblichen Hysterie überwältigt wurde.

Obwohl weitestgehend bekannt, ist die weibliche ‘Hysterie’ ein heute nicht mehr so häufig verwendete Begriff, mit dem eine Frau diagnostiziert wird, die an einer Vielzahl von Krankheiten leidet. Zu den Symptomen gehörten Ohnmacht, Unruhe, erotische Fantasien, sexuelle Wünsche und insbesondere aber die Tendenz Ärger zu verursachen.

Wenn eine Frau diese Hysterie erlebte, wurde sie zum Arzt gebracht, der sie manuell vaginal stimulierte und erregte. Der Vibrator wurde zu diesem Zweck erfunden – um den Ärzten das Leben leichter zu machen. Es ging da ganz und gar nicht darum einen Orgasmus zu erfahren. Damals war man festen Glaubens, dass nur Männer Orgasmen erleben konnten.

Die griechische Wurzel des Wortes ‘Hystera’, was übersetzt ‘Gebärmutter’ bedeutet, wurde demnach als Wurzel für Hysterie angesehen. Somit schien die Gebärmutter die Geburtsstätte all dessen. Ursprünglich glaubte man, dass Hysterie und hysterische Symptome durch einen Defekt im Schoßraum verursacht wurden und daher nur Frauen hysterisch werden konnten.

Alles wurde ziemlich steril abgehandelt…
Du gehst zum Arzt, dir wird ein gutes Gefühl verschafft, du gehst nach Hause und du fühlst dich besser. Huch! Für mich klingt das wenig erfüllend, und auch etwas befremdlich. Doch dies waren andere Zeiten…

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden dann die Vibratoren tragbarer, erschwinglicher und zur Freude vieler Frauen – privater.
Frauen wurden ermutigt, Vibratoren zu verwenden, um die ‘weibliche Hysterie’ unter Kontrolle zu halten. Patientinnen mussten plötzlich keinen Arzt mehr aufsuchen – sie durften ihre sexuellen ‘Frustrationen’ einfach alleine und bequem von zu Hause aus beheben.

Zum Glück wurde im Laufe der Jahre die Diagnose einer weiblichen Hysterie besser verstanden und gehörte bald der Vergangenheit an. Die moderne Sexualerziehung rückte immer mehr in den Vordergrund. 

photo-by-Carl-Emerson

Foto: Carl Emerson – www.purebeauty.photography 

Frauen haben eine besondere Beziehung zur Lust. Wenn sie die richtige Art der Ekstase erleben, kann diese sie aufblühen lassen, sie entsprechend unterstützen – ganz besonders auf ihrem sexuellen Weg ermächtigen. Erleben sie das nicht in dieser Form, können sie depressiv werden, schlechte Laune bekommen oder gar den Willen verlieren für sich selbst einzustehen.

Rezeptoren im Schoßraum übertragen das Vergnügen an unseren sexuellen Erfahrungen zu unserem Gehirn. Dies wiederum stimuliert die Hormone, die uns erden, die Lebensgeister wecken und in Verbindung zueinander bringen. Im Gegenzug dämpft es dann die Anfälligkeit für Depressionen und Lethargie.

 

Werfen wir mal einen Blick darauf, was alles in die Reaktion kommt, wenn der Körper sexuelle Lust empfindet:

  • Endorphine sind körpereigene Opiate – sie lindern Schmerzen und sorgen für den Kick an Glück.
  • Oxytocin stärkt das Immunsystem und reduziert die Schmerzempfindlichkeit.
  • Cortisol beeinflusst das Blutgefäß und den Stoffwechsel.
  • Serotonin und Noradrenalin werden allgemein als ‘Glückshormone’ bezeichnet. Sie sind diejenigen, die den Effekt der ‘rosafarbenen Brille’ erzeugen.
  • Dopamin sorgt für Wohlbefinden und Zufriedenheit. Es fördert das innere Gleichgewicht, was an und für sich auch Depressionen verhindern könnte.
  • Testosteron, das nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen im geringeren Mengen vorhanden ist, senkt den Cholesterinspiegel und schärft den Geist.

Dieser hormonelle Cocktail vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Gelassenheit. Er beschert auch den Drang nach köstlicherem Sex, hat also seinen eigenen Anreiz.
Mehr über saftige Verbindungen und Gründe, warum wir öfter über Sex sprechen sollten… ganz zu schweigen davon, dass wir ihn öfter praktizieren sollten: „Let´s talk about sex“ 
_ _

Es gibt auch einen physiologischen Grund, warum Frauen und weibliches Vergnügen seit so vielen Jahrhunderten unterdrückt werden:

Die Verantwortlichen wussten wahrscheinlich aus Erfahrung, dass man dem Gehirn Schaden zufügt, wenn man die Yoni schädigt. Bringt man den Dopamin-Fluss einer Frau durcheinander, hört sie auf, sich zu wehren. Plünderungen gingen oft auch mit Vergewaltigungen einher. Es ist ein makaberes Spiel der Macht. 
Und das nicht nur, weil Machtüberstülper Arschlöcher sind, sondern weil Vergewaltigungen jemandem schnell und gezielt die Fähigkeit und Kraft nehmen können. Sie hören auf sich zu wehren, sind leichter zu kontrollieren und leisten keinen Widerstand.
_ _

Und… etwas, das mir sicherlich nicht bewusst war, da wir in den wenigen Stunden meines  Biologieunterrichts in der 6. Klasse nichts darüber gelernt haben: Wusstest du, dass Frauen intensivere und vielfältigere Orgasmen haben können?

Geschweige denn, dass sie so viele Orgasmen haben können, wie sie wollen! Jeder Orgasmus gibt der Frau sogar mehr Energie für eine weitere sexuelle Erfahrung, er ist wie ein Super-Charger.

Ich frage mich, ob genau dort die Unsicherheit der Männer in Bezug auf ihre eigenen lustvollen Fähigkeiten sein könnten. Könnte es sein, dass es ihre eigene orgasmische Limitierung ist, die Männer dazu gebracht hat weibliches Vergnügen in die Tabuzone zu katapultieren?

Es gibt Artikel, Studien und persönliche ‘Erste-Hand’-Erfahrungen, die zeigen, dass Frauen eine enorme Fähigkeit haben, Orgasmen verschiedenster Art zu erleben. Die subjektive Erfahrung ist nicht unbedingt für jede Frau gleich und kann bei jeder Frau und jedes Mal anders sein.
Jede Art des Orgasmus kann großartig sein. Jeder neue Orgasmus wird ihr Gehirn dann neu skalieren. Wenn dieses also tiefer ist, bedeutet es eben nur, dass es intensiver ist. Es bedeutet nicht, dass er besser ist als vergangene Orgasmen.

Wart! Stop. Ja, ich behaupte hier tatsächlich, dass du verschiedene Variationen von Orgasmen in intensiverem Maße spüren kannst?

In Anbetracht dessen kann ich mit Sicherheit sagen, dass guter Sex erstaunlich und angenehm ist und es so viel zu entdecken gibt, was Frau gerne erlebt. Wir Frauen wachsen auf und hören unglaublich viele gemischte Botschaften – insbesondere über unsere Sexualität und unser Vergnügen. Viele davon sind anrüchig. 

Nur, sobald die Frau einmal in einer sexuellen Beziehung ist, wird von Ihnen erwartet, dass sie Sex genießen, tiefstes Vergnügen empfindet und nimmer-enden-wollenden-Orgasmen hat, oder?

Es ist so wie: verdränge all dein Verlangen, deine Lust und deine Sexualität, bis du in einer sexuellen Beziehung fester Natur bist. In dieser wiederum sollst du dich in eine hochqualifizierte sexuelle Göttin im Geisha-Stil verzaubern.
Mein Gehirn dreht sich vor lauter hinterlistigen, weil gemischten Botschaften. 

Die gute Nachricht ist, dass wir lernen können, uns mit unserem Körper, unserer Sinnlichkeit und unserem Vergnügen zu verbinden. Der Schlüssel zum Üben, Zähmen und Entfesseln liegt in der Yoni … genauso wie in jeder Zelle unseres Körpers.

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Es könnte damit beginnen, das Ja! zum Vergnügen zurückzugewinnen, es in’s eigene SelbstLiebeSpiel zu verwandeln. Oder unser Vergnügen mit jemand Anderem zu erforschen. Oder mit mehreren jemand Anderens?

Du verdienst es, dein inneres wildes, freies, unkonditioniertes, sprudelndes, spritzendes, orgasmisches, feuchtes und sinnliches Wesen zu feiern. Es ist dein Geburtsrecht als Frau. Beginne damit, neugierig zu sein, und zu staunen über alle Geheimnisse, die du über dein Yoniversum entdeckst. Du wirst überrascht sein, was du findest.


Vergnügen hat übrigens nicht unbedingt immer was mit Sex zu tun. Es ist etwas, das von deiner inneren Sinnlichkeit und Lebenslust herrührt. Da gehört alles dazu: eine saftige Frucht essen, sich zu Musik bewegen, den Wind in den Haaren spüren, ein Glas Tee schlürfen, das Kitzeln der Regentropfen auf der

Haut wahrnehmen, das herzhafte Lachen mit Freunden, der Duft eines Buches in deinen Händen, …

Du selbst verkörperst deine Lust.

Entscheide und erforsche, was dich mit deiner Essenz verbindet.

Was erdet dich in deinem Wesen?
Was macht dich lebendig?
Was gefällt dir besonders?
Was lässt deinen Körper zelebrieren?
Was lässt deine Yoni Freude versprühen?

Bleib im Vergnügen.
Lebe deine Lust. 

 

Deine Violeta Labella

p.s. mein 28-tägiges Online Programm LebensLust gibt dir Zugang zu erhöhtem Selbstbewusstsein und verfeinertem Lustempfinden. Du lernst deine Lust besser zu erspüren und deine sexuelle Kraft vollständig zu nutzen… so dass du dich nicht mit antiken LiebesLebenTipps beschäftigen oder gar den Hysterie-Doktor aufsuchen musst. 

_ _hier kannst du dich anmelden

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Violeta Labella ist die Yoni Ei-Fachfrau unserer Breitengrade und IntimitätsCoach, die sich auf Frauen Heilkünste spezialisiert hat. In ihren therapeutischen Sitzungen intgegriert sie Tantra-Praktiken, Tao-Übungen und De-Armouring-Methoden. Ihr Ziel ist es einen sicheren und wertschätzenden  Raum für Frauen zu schaffen, um mit ihrer Lust, Sinnlichkeit und ihrem Kraftpaket – der Yoni – in Kontakt zu treten. Violeta ist eine frech-fröhliche und ur-weibliche Creatrix, die es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat, Frauen zu unterstützen das zu entfernen, was ihnen nicht dient, und sie an ihre wahre Natur zu erinnern – angenehm-liebevoll und wild-frei zu leben.

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Freiheit

Bis später. Eine Motorradreise alleine als Frau.

Wie kommt man auf die Idee, alleine als Frau mit dem Motorrad loszufahren? Über die Lust darauf, unkonventionelle Wege auf der Suche nach sich selbst zu gehen. 

Ursprünglich fing ich mit dem Motorradfahren an, weil es die beste Möglichkeit darstellte, mit sechzehn Jahren vom Dorf in die Stadt zu kommen. Und weil es mir das erste Mal eine unheimliche Freiheit ermöglichte: Ungebunden von Personen und Zeit, andere Orte zu erreichen. Ehrlich gesagt hat sich das bis heute nicht geändert. Vielleicht ist genau diese Möglichkeit des selbstbestimmten Unterwegs-Seins ein heimliches Versprechen? Dinge zu finden, nach denen wir nicht suchen, weil wir ihnen nirgendwo anders begegnen, als in einer fernen Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die zugleich Angst macht und begeistert, die eben immer wieder, trotz alledem, Sehnsucht auslöst. 

Und genau diese Sehnsucht ist der Grund für meine Solo-Reise mit dem Motorrad. In 20 Tagen auf einer Strecke von 3.500 Kilometern durch die Länder Österreich, Italien, Frankreich und die Schweiz. Auf einer 125er HONDA Richtung Süden, mit einer Maximalgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern. Im Gepäck: Ein kleines Zelt, ein bisschen Kaffee und viel gute Musik. Ganz nach dem Credo: Einfach losfahren, mit einer hoffentlich sinnvollen Kombination von Plänen und Spontanität. 

Vielleicht braucht es manchmal eine gewisse romantische Vorstellungskraft, um die Grenzen von Realität und Naivität verschwimmen zu lassen?

Elizabeth Gilbert schreibt in ihrem Bestseller „Big Magic“ davon, dass wir vielleicht unser gesamtes Leben damit verbringen, einer Neugier zu folgen, mit dem Risiko, am Ende absolut nichts vorzuweisen zu haben – außer einer Sache. Genugtuung darüber zu verspüren, dass wir ein ganzes Leben in Hingabe an die edle, menschliche Tugend der Wissbegierde verbracht haben. Und das sollte mehr als ausreichend sein, dass man ein reiches und herrliches Leben geführt hat. 

Gerade in der heutigen Zeit als Teil einer Generation, die als Brückengeneration an der Schnittstelle zwischen „alten“ Denkweisen unserer Eltern und der hochdigitalen Generation nach uns steht, liegt der Fokus auf der Suche nach sich selbst und einem tieferen Sinn des Lebens. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man am meisten über sich und das Leben lernt, wenn man sich Herausforderungen stellt. Wenn man sich bewusst dem Risiko aussetzt, zu scheitern und – das mit der ebenso großen Wahrscheinlichkeit – zu wachsen. 

Muss man alleine mit dem Motorrad durch die Welt fahren, um sich selbst zu finden? 

Natürlich nicht, aber was spricht eigentlich dagegen? Jeder hat seine ganz eigene Art und einen eigenen Weg, Antworten zu finden. Für mich ist es diese Reise, die ich nicht nur für mich selbst mache. Es geht vielmehr darum, konventionelle Denkmuster aufzubrechen. Einen ersten Versuch zu starten, das Solo-Reisen mit dem Motorrad als Frau ein Stück weit aus der Schubladen-Nische zu nehmen. Denn es gibt so viel mehr zwischen einem All-Inklusive-Urlaub mit ganztägigem Buffet und Reizüberflutung und der Identifikation mit einer bestimmten Menschengruppe wie der klassischen „Biker-Szene“. Sowohl das Leben, als auch das Reisen sind persönliche Erfahrungen, die wir nach dem richten, was uns wichtig ist, was uns glücklich macht. 

Und das ist der eigentliche Grund für diese Reise. Unterwegs zu sein mit dem Motorrad verbindet mich auf besondere Art und Weise mit alledem, was mir am wichtigsten ist: Mit Menschen und der Natur. Aber auch mit den Erfolgen und Zweifeln, den Erlebnissen und Erkenntnissen, die eine solche Reise birgt. 

Es geht nicht darum, möglichst schnell an einem Ort anzukommen, sondern ganz bewusst Momente und Situationen zu erfahren, die mich ein Stück weiter an einen Punkt bringen – obwohl ich ehrlich gesagt noch nicht weiß, ob das wirklich der Ort ist, an dem ich ankommen will. Aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es auch nicht herausfinden. 

Also bleibt nur Eines: Einfach loszufahren. 

Blogartikel von Laura Niklaus

laura_niklaus_portrait

Auf ihrer Website www.studiowoandertraveltales.de, dem dazugehörigen Podcast und auf Instagram unter laura_nkls berichtet Laura von den Erlebnissen auf ihrer Solo-Reise mit dem Motorrad.